Andacht zum 5. Sonntag in der Passionszeit – Judika

21. März 2021

Pfarrerin Dr. Sabine Breithaupt-Schlak

Votum

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen

Wochenspruch

Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben als Lösegeld für viele.

(Matthäusevangelium 20,28)

Psalm

Schaffe mir Recht, o Gott, und führe meine Sache wider das treulose Volk und errette mich von den falschen und bösen Leuten!

(aus Psalm 43)

Gebet

Gott, unser Vater, in Jesus Christus hast du uns gezeigt, was Vergebung bedeutet, und hast uns ein Beispiel gegeben. Dein Recht braucht die Welt, Gott, nicht das unsere. Lehre uns, deinen Weg zu gehen, und begleite uns durch deinen Heiligen Geist. Amen

Lesung aus Hiob 19,19-27

Alle meine Getreuen verabscheuen mich, und die ich lieb hatte, haben sich gegen mich gewandt. Mein Gebein hängt nur noch an Haut und Fleisch, und nur das nackte Leben brachte ich davon. Erbarmt euch über mich, erbarmt euch, ihr meine Freunde; denn die Hand Gottes hat mich getroffen! Warum verfolgt ihr mich wie Gott und könnt nicht satt werden von meinem Fleisch? Ach dass meine Reden aufgeschrieben würden! Ach dass sie aufgezeichnet würden als Inschrift, mit einem eisernen Griffel und mit Blei für immer in einen Felsen gehauen! Aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und als der Letzte wird er über dem Staub sich erheben. Nachdem meine Haut noch so zerschlagen ist, werde ich doch ohne mein Fleisch Gott sehen. Ich selbst werde ihn sehen, meine Augen werden ihn schauen und kein Fremder. Danach sehnt sich mein Herz in meiner Brust. (Lutherbibel 2017)

Glaubensbekenntnis

Auf diese Sätze haben sich die Christinnen und Christen der frühen Kirche geeinigt, um sich in ihrem Glauben zu vergewissern. Sie wurden über die Jahrhunderte weitergegeben und werden bis heute  im Gottesdienst gemeinsam gesprochen.

Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde.

Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn, empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel; er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters; von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.

Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten und das ewige Leben. Amen.

Predigt

„Ich weiß, dass mein Erlöser lebt!“ So steht es auf einem Grabstein auf dem Evangelischen Friedhof in Berghofen. Goldene Buchstaben auf schwarzem Stein. „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt.“ Und auch die Herkunft dieses Wortes steht auf dem Grabstein. Aus dem Buch Hiob. „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt.“ Was für ein glaubensstarker Satz. Mehr noch: Hiob gibt vor, das nicht nur zu glauben, sondern zu wissen. Trotzig, mutig, stark, überzeugt, sicher. Dabei hat Hiob alles verloren. Und streitet darum auch heftig mit Gott. Hiob hat so viel verloren: Vermögen, Familie, Gesundheit. Er ringt mit seinem Schicksal. Schließlich kommen seine drei besten Freunde zu ihm. Hiob hofft auf Trost, Hilfe und Stärkung. Doch das Gespräch über das große Warum des Leidens, das die vier miteinander führen, weist immer wieder auf Hiob als den Urheber seines eigenen Unglücks zurück. So sehen es jedenfalls die Freunde. Hiob selbst soll schuld sein an seinem Schicksal. Er, der immer vorbildlich fromm und religiös korrekt war, muss irgendwie gegen die religiösen Ordnungen, gegen Gottes Weisungen verstoßen haben, sonst würde dieser ihn nicht strafen. Doch Hiob will sich das nicht gefallen lassen. Nicht nur von seinen Freunden fühlt er sich allein gelassen, sondern auch von Gott. Schonungslos ruft er hinaus: „Alle meine Getreuen verabscheuen mich, und die ich lieb hatte, haben sich gegen mich gewandt.“ Und weiter: „Mein Gebein hängt nur noch an Haut und Fleisch.“ Deshalb ruft, schreit er zu Gott, der ihn verfolgt und nicht in Ruhe lässt. Und seine Freunde trösten ihn nicht, sondern bestärken diesen Eindruck noch. Das ist vielleicht noch schlimmer als das Leid selbst. Leid ist nicht zu verstehen, nicht logisch einzuordnen. Ich kann es nicht fassen wie eine gelöste Mathematikaufgabe. Weder das Leid noch Gott lassen sich ausrechnen. Hiob besteht auf der Sinnlosigkeit des Leidens. Darum kämpft er mit seinen Freunden und mit Gott. Diesen Kampf will er festhalten, aufschreiben. Denn das, was Hiob widerfährt, ist nicht nur ein Einzelschicksal. Allein, ich bin allein – das erfahren Menschen aller Zeiten und aller Generationen. In unterschiedlicher Intensität, gewiss. In ungeahnter Weise sind wir in den vergangenen Monaten der Corona-Pandemie wieder auf diese Fragen gestoßen, zum Beispiel in den Diskussionen und Erfahrungen um die Alleingelassenen in den Pflegeheimen und Krankenhäusern. Was im Sinne von Infektionsschutz und Gesundheitsfürsorge gut gemeint und sinnvoll gedacht war, hat in Gestalt von Besuchsverboten Menschen einsam und verlassen sterben lassen.

So sinnlos das Leid sein mag, so sehr es Hiob quält – Hiob will es nicht einfach vergessen. Deshalb soll es aufgeschrieben und bewahrt werden. Im Erinnern, im Bewahren liegt vielleicht ein erster, zaghafter Schritt zur Heilung. Wir sind auch, was wir erinnern. Denn das Erinnern gehört zum Kern menschlichen Lebens. Erinnern kann ein schmerzhafter Prozess sein. Es widersteht dem Verdrängen wie der vorschnellen Betäubung. Hiob weiß das und weicht gerade im Leid dem Erinnern nicht aus. Ja, er setzt seine Hoffnung darauf, dass sein Kampf, sein Ringen bei aller Ungerechtigkeit und Sinnlosigkeit nicht ganz umsonst sein könnte. Er ahnt, dass das Vergessenwollen, das Verdrängenwollen seine Qualen allenfalls für kurze Zeit mildern wird. Es wird ihn nicht befreien, sondern nur im Schmerz gefangen halten. Für Hiob ist es heilsam, das, was ihm widerfahren ist, zu dokumentieren. Im Reden, Schreiben und Erinnern mag noch nicht ein direkter Weg zur Erlösung liegen. Das wäre vermutlich zu einfach. Aber zumindest ist ein Hoffnungsleuchten wahrnehmbar, das aus Hiob herausbricht: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt!“ Hiob kämpft gegen Gott. Er kämpft um Gott. Hiob ist ein Vorbild im Glauben. Hiob ist ein Gefährte im Leiden, ein Freund im Schmerz. Gott erscheint dunkel und verborgen. Doch plötzlich keimt Hoffnung auf: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt.“ Aus der Verzweiflung taucht die Gewissheit auf, dass es in der Tiefe des Abgrunds Halt gibt. Der Sturz geht nicht ins Bodenlose. Am Ende ist da eine Hand, die uns hält. Am Ende ist Gott da, der uns auffängt. „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“ – das ist ein Satz gegen die Angst, ein Wort, das mitten in der Verzweiflung die Rettung erahnt. „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“ – das ist ein Satz gegen den Tod und für die Hoffnung auf Leben, hier und dereinst. 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen 

Fürbittengebet

Gott, wir rufen zu dir, aber manchmal rennen wir auch gegen dich an. Wir bitten dich für alle, die sich von dir und auch von anderen Menschen verlassen fühlen, die keine Hilfe erkennen können und an ihrer Einsamkeit zerbrechen. Gib dich ihnen tröstend zu erkennen und eile ihnen zu Hilfe. 

Gott, unser Helfer, wir bitten dich für die Verfolgten, die Gehetzten und Atemlosen, die Unterdrückten und Gequälten. Stelle ihnen Menschen an die Seite und Fürsprecher, die ihre Stimme erheben und Gerechtigkeit fordern. Nimm du dich ihrer Sache an.

Gott, du Anwalt des Lebens, wir bitten dich für die Menschen, die im Namen von Recht und Gesetz arbeiten, für Richterinnen und Anwälte, Justizangestellte und Polizistinnen: Lass sie deine Gerechtigkeit nicht aus den Augen verlieren und schenke ihnen klares Urteilsvermögen. Stärke sie zu ihrem Tun und lass sie die Anerkennung erfahren, die sie verdienen.

Gott, der du unsere Herzen kennst, wir bitten dich für uns, dass wir in der Unterscheidung von Gut und Böse nicht den Splitter in den Augen der anderen suchen, sondern bei uns selbst anfangen.

Du bist unser Vater, lass uns handeln, wie es den Kindern Gottes zukommt. Erhöre unsere Bitten, die wir zusammenfassen in dem Gebet, das du deinen Freundinnen und Freunden geschenkt hast:

Vater unser

Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Segen

Gott segne dich und behüte dich; Gott lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; Gott hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden. Amen